Fallstudien – Kasuistik aus Klinik und Praxis

Unsere Fallstudien geben Ihnen einen kurzen Einblick in die Anwendung der Manuellen Medizin in der ärztlichen Praxis – mit Problemstellung und therapeutischen Lösungen.

Fallbeispiel 1

Der besondere Fall

Anamnese

  • Anfang Juli stellt sich ein 22 jähriger Mann in Begleitung seines Vaters (Orthopäde) vor.
  • Er spielt leistungsmässig Volley- und Basketball in Auswahlmannschaften. Im Frühjahr anamnestisch blockierte erste Rippe rechts, die in Amerika therapiert worden war.
  • Zuletzt beim Basketball neuerliches Schmerzereignis in der rechten Schulter. Die beiden Sportarten waren praktisch nicht mehr möglich.
  • Im bei persistierenden Beschwerden durchgeführten MRT der rechten Schulter zeigt sich ein Reizzustand des AC-Gelenkes mit Knochenödem.
  • Der Patient demonstriert eine schmerzhaft eingeschränkte Schulterfunktion und gibt den Schmerz vor allem bei Über-Kopf-Bällen an, die ihm kaum noch möglich seien.

Befund

  • Die HWS-Rotation in Neutralposition betrug je 80°, Seitneige li 45°, re 30-35°. Rotation rechts in Inklination eingeschränkt. Blockierungsbefund C4 re.
  • Re Schulter: Elevation 130°, Abduktion 130° (mit Scapula), die Außenrotation zeigt sich re endgradig limitiert, ebenso die Innen- und Außenrotation in 90° Abduktion. Impingement-Tests negativ. Scalenus anterius und medius re gegenüber links etwas tonusvermehrt. Die erste Rippe war frei.
  • Schmerz bei passiver horizontaler Adduktion im ACG.
  • Blockierung Th3 re.

Therapie

  • Nach der Behandlung des komplexen Blockierungsgeschehens an HWS und BWS demonstrierte der Patient unmittelbar nach der Behandlung eine freie Schulterfunktion inklusive der Aufschlagsbewegung beim Volleyball.
  • Nach telefonischer Rücksprache 4 Wochen später ist der junge Mann wieder sportlich aktiv.
  • Entscheidend scheinen bei der primär im Vordergrund stehenden Funktionseinschränkung der rechten Schulter die (klinisch stummen) Funktionsstörungen von C4 und Th3 gewesen zu sein.
Fallbeispiel 2

Dorsolumbale Blockierung

Anamnese

  • 65 jähriger Patient, adipös, pralles vorgewölbtes Abdomen mit rezidivierenden cardialen Begleiterkrankungen in der Anamnese (kein Infarkt) stellt sich vor wegen Schmerzen im dorsolumbalen Übergang seit einigen Tagen, spontan aufgetreten. Bewegungs- und belastungsabhängig.
  • Keine sportlichen Aktivitäten
  • Nach „Ruhestand“ noch Teilzeit in Autohaus mit organisatorischen Tätigkeiten beschäftigt.

Therapie

  • Klinisch Blockierungsbefund Th11, Blockierung konnte problemlos gelöst werden. Beschwerden über Wochen danach gebessert. Dann Wiedervorstellung mit neuerlicher Blockierung in selber Höhe, wieder problemloses Lösen möglich.
  • Bei einem zufälligen Treffen fast ein Jahr später und Nachfrage, wie es dem Rücken gehe, meinte er: Seit der Entfernung der Gallenblase sei er beschwerdefrei.
Fallbeispiel 3

Ellbogenschmerz

Anamnese

  • 58 Jahre alter Patient, Klinikberater, stellt sich wegen seit einigen Wochen zuvor spontan aufgetretener Ellenbogenbeschwerden re vor.
  • Die Beschwerden treten belastungsabhängig (PC-Arbeit) auf.

Befund

  • Klinisch Zeichen der radialen Epicondylopathie mit Druckschmerz am radialen Epicondylus und Schmerz bei Faustschluss und Handgelenksextension gegen Widerstand.
  • Keine Blockierung des Radiusköpfchens.
  • HWS-Rotation frei, jedoch Druckschmerz der Insertion C5 re an der Linea nuchae.

Therapie

  • Nach Behandlung des Insertionspunktes mit Druckpunkttechnik sofortige weitgehende Schmerzreduktion am Ellbogen.
  • Nach telefonischer Rücksprache tags darauf wieder Beschwerdebeginn.
  • Rezeptur von Krankengymnastik.
  • Feedback aktuell steht noch aus.
Fallbeispiel 4

Lumboischialgie

Patient

  • 55-jähriger Mann,  175 cm, 97 kg
  • seit 20 Jahren Lastwagenfahrer im selben Betrieb (Kieswerk)
  • Sport: Kegeln, Eisstockschiessen (1-2x/Woche)
  • Bluthochdruck (ACE-Hemmer), keine weiteren VE, keine AU seit 10 Jahren
  • eigentlich zufrieden im Job, Familie: verheiratet („passt“)
  • 2 erwachsene Kinder
  • Keine wirklichen finanziellen Sorgen.

Anamnese

Zum Schichtende beim Aussteigen aus der Fahrerkabine  auf der untersten Stufe abgerutscht und mit dem rechten Bein ausgestreckt „etwas hart gelandet“, dabei im Rücken stechender Schmerz  eingeschossen. Ein paar Minuten schmerzbedingt immobilisiert am LKW angelehnt stehengeblieben.  Humpelnd nach Hause, dort Ibuprofen 800, Massage („doch eher sehr nette liebevolle Ehefrau“) und Feierabendbier, vor dem zu Bett gehen warme Badewanne. Am nächsten Tag beim Aufstehen massive Schmerzen tiefe LWS mit Ausstrahlung in rechtes Bein über Trochanter major dorsolateral bis Kniekehle. Als Notfall zum Orthopäden. Dort Röntgen LWS / Becken-Hüfte rechts, alles altersentsprechend degenerativ ohne knöcherne Läsion. AU bis Wochenende (3 Tage), NSAR, Relaxans, Wärme und Bewegung nach Schmerzmassgabe.

Nach dem Wochenende keine Besserung, Kieswerk-Chef  schickt ihn zu befreundeten Manualmediziner.

Befund

  • pDMS intakt (Motorik, diff. Gangbild, Reflexstatus, veget. Funktionen, HN-Status, SLRT -),
  • Schmerzbereich :  rechts  von L4, Oberrand der Crista iliaca bis laterale Grenze des M. quadr. lumb. über SIG nach gluteal zum Trochanter major, Tractus iliotibialis / Hamstrings bis kurz oberhalb des Knies / Kniekehle.
  • Hüfte rechts: F/E °: 90/0/10, IR/AR° (Flex 90°) 30/0/40, Ab/Add°: 30/0/30.
  • LWS: FBA 20cm („ging noch nie näher wegen Bauch“),  Schober: 10cm auf 13cm,
  • Becken: Crista rechts ca 1QF höher als Crista links
  • SIG: Vorlauf rechts, Spinetest rechts: kein Anfangsruck,
  • IP: L+4 li lo, L5+ re lo, S1+ kaud nut

Diagnose

Lumboischialgie bei segmentaler und somatischer Dysfunktion der LWS, Blockierung L4, L5, S1 (s.o.)

Therapie

Mobilisation, Manipulation, MET, MFR …

Fallbeispiel 5

SIG-Blockierung

Eine 58-jährige gesunde Frau stürzt mit dem Rad auf ihre rechte Seite. Ohne größere Beschwerden setzt sie die Fahrt fort, besucht ein Restaurant und fährt schließlich nach Hause.

Als sie das Rad eine leicht abschüssige Einfahrt herab schiebt, hat sie das Gefühl, dass ihr rechtes Bein etwas nachgibt.

Sie sitzt und steht noch in der Küche und bäckt einen Kuchen. Es treten zunehmende Schmerzen im Bereich des lateralen rechten Kniegelenks auf.

Schließlich geht sie zu Bett. Sie kann die ganze Nacht nicht schlafen. Der geringste Versuch sich aufzurichten oder aus der Rückenlage zu drehen führt zu verheerenden Schmerzen lateral des rechten Knies.

Die Patientin – selber Ärztin für Allgemeinmedizin – denkt, obwohl sie auf die rechte Hüfte, nicht das rechte Knie gefallen ist, dass sie sich eventuell eine proximale Fibulafraktur zugezogen haben könnte und diese dann, als sie in der Einfahrt bergab ging und das Gefühl hatte, dass etwas im Knie nachgebe, disloziert worden sein könnte.

Am Morgen gelingt es mit Ibuprofen und Hilfe des Ehemannes aus dem Bett zu kommen, Rock und Latschen anzuziehen und auf einen Stock gestützt mit dem Auto in die Rettungsstelle gebracht zu werden.

Dort werden das rechte Knie und das rechte Sprunggelenk zur Darstellung der proximalen und der distalen Fibula in 2 Ebenen geröntgt. Regelrechte knöcherne Verhältnisse, keine Fraktur.

Unter erheblichen Mengen von Ibuprofen kommt es in den nächsten Tagen zu einer ausreichenden Schmerzlinderung.

Die Patientin sucht, weil sie nicht beschwerdefrei wird, einen Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin auf. Dieser löst eine Blockierung des rechten SIG, was zu sofortiger Beschwerdefreiheit führt.

Fallbeispiel 6

Zervikozephales Syndrom

Patient

  • 35-jährige Frau, alleinstehend (2 Katzen)
  • selbstständig als Antiquitätenhändlerin, viel Stress und finanzielle Sorgen
  • Vor 10 Jahren (nach schlimmer Beziehung, Beziehungsende mit zeitgleichem Jobverlust) Bandscheibenvorfall L4/5 re mit Hemilaminektomie re.
  • Seither 3x/Woche Gymnastik/Yoga/Pilates.

Anamnese

Beim Ausräumen eines Dachbodens (Antiquitätensuche) in dem nur „staubiger nutzloser Schrott“ herumlag, schlug sich die Patientin den Kopf frontal an einem Dachbalken an. Kurz etwas benommen und Gleichgewichtsgestört, aber standfest. Weitergearbeitet. Abends dann zunehmende Gleichgewichtsstörung (ohne Richtung, Dizzyness) und Verschwommensehen, Kopfschmerz retrobulbär und Übelkeit. Exacerbation mit Angst und Erbrechen. Keinen Notarzt gerufen (obschon gefühlt notwendig) wegen der Versorgung der Katzen. Am nächsten Tag zum Hausarzt.  Verweigerung stat. Aufnahme.  Vom Hausarzt am selben Tag akute Abklärung der potentiell lebensbedrohlichen  DD  mit Carotis/Vertebralisduplex, Funktions-Rö HWS, NMR mit Angio-Schädel, FA HNO (Privatpatientin und gut vernetzter HA). Alles O.B.

Befund

  • Hirnnervenstatus: Objektiv O.B., Patientin gibt Gefühl der leichten Benebelung und empfundene Gleichgewichtsstörung an (sogenannte Dizzyness). Unterbergerversuch mit geschlossenen Augen O.B. Einbeinstand mit geschlossenen Augen seitengleich etwas unsicher.
  • Retrobulbärer Kopfschmerz bds. Nackenverspannung bds. HWS-Mobilität etwas reduziert.
  • ROM HWS: Rot re/li°: 80/0/60, Rot in Ext re/li°: 40/0/40, Rot in Flex re/li°: 40/0/20. Auffallend hartes Endgefühl bei reduzierter Rotation nach links. Flex/Ext und Inkl/Reklin opB, Seitneigung re/li!: 30/0/10 (hartes Endgefühl). Bei Untersuchung zeigt die Pat. immer wieder auf Schmerzpunkt Höhe C2 paravertebral links.
  • IP: C+2li lo (Bestätigung mit Insertionszone C2)

Diagnose

Zervikozephales Syndrom bei segmentaler und somatischer Dysfunktion der HWS, Blockierung C2 (s.o.)

Therapie

Mobilisation, Manipulation, MET, MFR …

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