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Fallstudien - Kasuistik aus Klinik und Praxis

Fallbeispiel 1:

Persistierende heftige Schmerzen nach distaler Unterarmfraktur und Osteosynthese

Ordination 14. 2. 2018

Anamnese:
Eine 77-jährige, insgesamt sportlich, aktive, bewegungsgesunde Dame stürzt bei Glatteis im Dezember 2016. Eine komplexe distale Unterarmfrakturfraktur wird operativ versorgt. Die Metallentfernung wird im Juni 2017 durchgeführt bei röntgenologisch fester Konsolidierung in sehr guter anatomischer Position.
Es persistieren starke, invalidisierende Schmerzen im Handgelenksbereich bei Bewegung und Belastung seit Oktober 2017 auch in Ruhe. Ein CRPS 1 kann ausgeschlossen werden.
Im Rahmen zehn(!) chirurgischen Konsultationen in der operierenden Klinik wird mit dem Hinweis auf einen langen schmerzhaften Verlauf aufgrund der Schwere der Verletzung insgesamt 60 mal KG und drei Monate Ibuprofen 600 4 mal täglich und weitere neun Monate 2 mal täglich verordnet, insgesamt fast ein Kilogramm(!) was auch genommen wird, weil es jeweils kurz den Schmerz lindert.
Befund:
Bei der klinischen Untersuchung im Rahmen der Vorstellung in unserem ambulanten Zentrum im Febr. 2018 imponiert eine schmerzfreie Beweglichkeit des linken Radiocarpalgelenkes mit Werten für Flexion/Extension von 40-0-50°.
Röntgen:
Röntgenologisch wird die in anatomischer Stellung verheilte Fraktur reizlos nach Metallentfernung bestätigt. Was in keinem der bisherigen Arztberichte aufscheint, ist die klinisch manifeste starke Druckdolenz, Schwellung und Translationsschmerzhaftigkeit im Gelenk zwischen Scaphoid und Trapezium, das sich röntgenologisch in einer drittgradigen, klinisch stark aktivierten Arthrose manifestiert (siehe Bild). Die Arthrose hat sich sehr wahrscheinlich auch als Folge der Verletzung in wenigen Monaten ausgebildet und ist nicht in die Diagnose eingegangen.
Diagnose:
14 Monate andauernder schwere Schmerzzustand am linken Handgelenk bei Z. n. operativ versorgter distaler Unterarmfraktur und traumatisch ausgelöste schnell progredienter erosiver Arthrose zwischen Scaphoid und Trapezium (s. Rö.-Verlauf)

Therapie:
Nach einer initialen Injektion von 20 mg Triamcinolon und 2 ml Lidocain 1% tritt sofortige Schmerfreiheit ein. Die Injektion wird 10 Tage später wiederholt bei Fortbestehen nahezu vollständiger Schmerzfreiheit.
Therapeutisch wird jetzt eine manuelle Mobilisierung der Handwurzelknochen aufgenommen.

Fazit für die Praxis:
Die intensive Beschäftigung mit der funktionellen Anatomie zum Beispiel der komplexen Karpalgelenke erlaubt palpatorisch eine gute Zuordnung der klinischen Symptomatik, die im vorliegenden Fall eben nicht das eigentliche Handgelenk (Radiocarpalgelenk) betrifft, sondern eine intercarpale Arthrose klinisch evidenziert. Die Detailkenntnis der Anatomie erlaubt eine sichere Platzierung der Injektion und eine Einleitung geeigneter Therapiemaßnahmen auf funktioneller Basis.

Die ist ein weiteres Beispiel für den sehr hoch anzusiedelnden Wert manualdiagnostischer und manualtherapeutischer Detailkenntnisse an den artikulären Strukturen der Extremitäten, auch im Bereich der operativen Unfallheilkunde.

Bild 1: Patientin, 77 Jahre.
Stark dislozierte distale Unterarmfraktur nach Sturz bei Glatteis, 26.12. 2016

Bild 2: Osteosynthese mit anatomischer Reposition, 28. 12. 2016

Bild 3: Z. nach Metallentfernung, fertiger Durchbau, 23. 06. 2017

Vorstellung in der Schmerzpraxis 14. 02. 2018

Bei insgesamt in nahezu anatomischer Stellung verheilter Unterarmfraktur. Ausgeprägte Os Scaphoideum- Os Trapezium Arthrose bei ansonsten nicht degenerativ verändertem Handgelenk und Karpus. In Verbindung mit dem klinischen Befund hier wegweisend.
Beachten sie die Zunahme der Os Scaphoideum - Os Trapezium Arthrose vom Unfallbild zum letzten Bild.